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Was ist „Zuhören„?
Unser Spracherwerb beginnt mit dem Hören. Deshalb ist Hören auch die Voraussetzung für die anderen drei Kommunikationskompetenzen Sprechen, Schreiben und Lesen.
Man könnte daher vielleicht auch annehmen, dass Zuhören am leichtesten zu lernen wäre. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Es ist die schwierigste, weil kraftraubendste, der vier Kommunikationskompetenzen:
Wer zuhört, ist gezwungen, durchgehend und konsequent aufmerksam zu sein.
Man darf sich nicht von anderen Reizen wie Lärm, sonstigen Äußerungen oder eigenen Gedanken ablenken lassen. Entgegen der allgemein üblichen Annahme, Hören ‚könne doch jeder‘, stellt sich daher bei genauerer Betrachtung heraus, dass Zuhören eine recht komplexe und vor allem anstrengende Tätigkeit ist. Daher ermüdet man beim bloßen Zuhören auch schneller als etwa beim Lesen.
Hören ist noch nicht zuhören
Zuhören besteht aus zwei Prozessen, die zusammen das ‚Zuhören‘ oder ‚Hörverstehen‘ ergeben:
- das Hören als Aufnahme des Gesprochenen und
- das Verstehen – hier werden die Laute identifiziert, ihnen Bedeutung zugeordnet und Sinn hergestellt.
Zuhören bzw. Hörverstehen geht also über das reine Hören hinaus, weil das Gehörte, egal ob sprachlich oder nicht-sprachlich, verarbeitet und interpretiert werden muss.
Was passiert beim Zuhören?
Beim Zuhören werden zuerst Geräusche und/oder Wörter identifiziert, dazu das eigene Vorwissen aktiviert und die Informationen mit dem bestehenden Wissen verknüpft. Das bestehende Wissen sind Gedächtnisinhalte, die Schlussfolgerungen, Interpretationen, emotionale Reaktionen und Bewertungen des Gehörten erlauben.
Am Ende des Zuhörprozesses steht Ihre persönliche Rekonstruktion dessen, was der Sprecher mit dem, was er willkürlich (und vielleicht auch unabsichtlich mit ausgedrückt hat) gesagt hat: der Sinn der Äußerung. Sinn entsteht also durch das tatsächlich Geäußerte und Ihre Hörerinterpretation.
Wann gelingt Zuhören?
Zuhören gelingt nur, wenn Sie als Zuhörer eine gewisse Absicht verfolgen, weshalb Sie zuhören möchten. Nur dann gelangen die Informationen in Ihr Arbeitsgedächtnis und können dort mit Ihrem bestehenden (Vor-)Wissen integriert, bewertet und kategorisiert werden. Dort bereiten Sie auch Ihre Reaktion und Ihr Feedback vor. Wie gut Sie also zuhören, ist von vielen Faktoren abhängig:
Auf Sprecherseite:
- Ein Sprecher oder eine Sprecherin muss so sprechen, dass er oder sie überhaupt gehört werden kann.
- Und: Er oder sie muss so sprechen, dass Ihr Vorwissen aktiviert werden kann, damit Sie überhaupt etwas verstehen können.
Auf Zuhörerseite:
- Sie müssen das Gesagte hören können.
- Sie müssen zuhören wollen.
- Sie müssen Ihre Aufmerksamkeit die ganze Zeit aktiv regulieren.
- Zuhören hängt auch von Ihren individuellen Voraussetzungen ab, z. B. wie Sie bisher immer zugehört haben oder wie flexibel Ihr Arbeitsgedächtnis ist. Diese können dann auch noch mit je aktuellen Bedingungen variieren, wie z. B. Ihrer jeweiligen Motivation und Konzentrationsfähigkeit, etwaigen Hintergrundgeräuschen etc.
Das bedeutet auch, dass Sie nach dem dritten Meeting heute – unabhängig davon, wer gerade spricht – sehr wohl vielleicht nur noch schwer zuhören können…
Kann Missverstehen auch am Zuhören liegen?
Zuhören geschieht sehr schnell. Dies wird durch eine Reihe von Faktoren erklärt. Hier die drei wichtigsten:
- Als Erstes werden das Vorwissen, die Erwartungen und die Hypothesen genannt, mit denen man normalerweise zuhört. Sie lenken unsere Aufmerksamkeit in eine bestimmte Richtung.
- Zweitens besitzt der Mensch die Fähigkeit, etwas ganzheitlich zu verstehen. Wir reihen beim Zuhören nicht Einzelheit an Einzelheit – trotz des linearen Charakters gesprochener Sprache. Wir haben im Gegenteil bereits kurz nach Beginn des Gehörten, z. B. anhand von Schlüsselwörtern, eine grobe Vorstellung vom Inhalt und Sinn der Äußerung. Dies wird dann beim weiteren Zuhören entweder bestätigt, verworfen oder abgeändert.
- Nicht zuletzt können wir deshalb so schnell verstehen, weil wir viele Wörter automatisch erkennen und es in der gesprochenen Alltagssprache sehr viele (eigentlich) überflüssige, für die Information nicht notwendige Elemente (Redundanzen) gibt.
In diesem schnellen Zuhörprozess liegt aber auch die Gefahr, dass wir das Gehörte zu schnell mit unseren eigenen Interpretationen vermischen, in die ‚falsche Richtung‘ lenken und das vom Sprecher Gemeinte missverstehen.
Aktiv Zuhören für eine erfolgreiche Gesprächsführung
In vielen Trainings und Seminaren ist die Rede vom „aktiven Zuhören“. Wie oben aber dargestellt, ist Zuhören immer aktiv. Es ist also eine Tautologie wie beispielsweise ‚schwarzer Rappe‘ oder ‚alter Greis‘.
Sie können Ihr Zuhören verbessern, indem Sie folgende drei Möglichkeiten anwenden:
- Sie sorgen dafür, dass Sie zuhören können und wollen und erhalten dafür Ihre Aufmerksamkeit aufrecht.
- Sie geben Ihrem Gegenüber ein direktes Feedback. Dies geschieht meist automatisch in Form von Blickkontakt, Kopfnicken oder Rezeptionssignalen wie z. B. „hm“, „ja“, „o.k.“.
- Sie versuchen das, was Sie gehört und verstanden haben, zu paraphrasieren. D. h. Sie geben wieder, was Sie verstanden haben und wie Sie es verstanden haben, z. B. „Wenn ich Sie richtig verstehe. …“,„Ich habe herausgehört, dass …“ oder als Frage „Habe ich Sie richtig verstanden, dass …?“ u. Ä. Dadurch können Sie sicherstellen, dass Sie Ihren Gesprächspartner richtig verstanden haben. Außerdem ermöglicht es Ihnen, den weiteren Verlauf des Gesprächs zu gestalten.