Soll ich jetzt wirklich meinen Mitarbeiter bzw. meine Mitarbeiterin kritisieren? Wie mache ich das am besten, ohne zu viel Porzellan zu zerschlagen? Diese Frage stellen sich Führungskräfte oft, wenn es darum geht, ein Fehlverhalten oder eine nicht ausreichende Leistung seitens des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin offen anzusprechen.
Wie Sie ein Kritikgespräch professionell führen und konstruktive Kritik geben, lesen Sie in diesem Artikel…
Viele Menschen verbinden mit Kritik unangenehme oder negative Erfahrungen. Diese Erfahrungen haben ihre Wurzeln oft in der Kindheit, in der Kritik oft einer Maßregelung gleichkam. Wird man als Erwachsene/r kritisiert, greift man oft auf früher praktiziertes Verhalten zurück, um das Selbstbild zu schützen. Man reagiert beispielsweise verletzt oder aggressiv.
Manche Führungskräfte scheuen sich, Kritik offen zu äußern. Die Gründe dafür sind vielfältig: Angst vor Widerspruch oder emotionalen Reaktionen, Harmoniebedürfnis oder die Befürchtung, verletzend zu sein oder zu demotivieren.
Aber ein konstruktiver Umgang mit Fehlern und Kritik trägt zur Weiterentwicklung von Mitarbeitenden und Unternehmen bei. Feedback und Kritik gehören zu einer guten Mitarbeiterführung dazu und bieten eine Möglichkeit, fehlerhaftes Verhalten zu korrigieren und sich weiterzuentwickeln.
Inhaltsverzeichnis
Was ist Kritik überhaupt?
‚Kritik‘ ist ein ursprünglich neutraler Begriff, der der Unterscheidung dient. Es geht um die Beurteilung eines Verhaltens. Im Gegensatz zu Feedback (als subjektive Eindruckswiedergabe) ist Kritik nur möglich, wenn feste, im Unternehmen bekannte und gerechtfertigte Maßstäbe vorliegen. Das sind z. B. definierte Kernarbeitszeiten, Höflichkeit gegenüber Kunden, Sorgfalt in der Arbeitsausführung, Einhaltung von Terminen etc. Diese Maßstäbe sind allen Mitarbeitenden bekannt.
Bei einer Kritik sind also sachliche Fakten und Regeln als Maßstäbe gegeben. Sie ermöglichen ein Urteil über ‚falsch‘ oder ‚richtig‘. Folglich ist es auch möglich, positive oder negative Kritik zu äußern. Im Unternehmen ist mit dem Wort Kritik meist der negative Aspekt verbunden.
Sie sollten als Führungskraft ein Kritikgespräch führen, wenn Sie eine Veränderung im Verhalten des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin wünschen. Kritisiert werden können
- ein Fehlverhalten
- eine nicht ausreichende Leistung
- die Auswirkungen des Verhaltens auf das Arbeitsergebnis oder beteiligte Personen.
Im Gespräch sollten diese Punkte verdeutlicht werden. Gleichzeitig aber werden die Stellungnahme des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin zum Sachverhalt erfragt und mögliche Lösungen erarbeitet. Auf deren Basis wird eine konkrete verbindliche Vereinbarung getroffen, die eine Wiederholung des Fehlverhaltens verhindert.
Kritikgespräch führen: Ziele des Gesprächs
- auf ein Fehlverhalten aufmerksam machen
- über Gründe der Kritik informieren
- gegebenenfalls über die Konsequenzen informieren, zu denen unverändertes Verhalten führt (z. B. in schwerwiegenden Situationen oder im Wiederholungsfall)
- Möglichkeit für den Mitarbeiter/die Mitarbeiterin, sich zu dem kritisierten Verhalten oder Vorfall zu äußern
- Lösungen herausarbeiten
- klären, ob und welche Hilfestellung benötigt wird, um das Problem zu lösen
- Mitarbeiter:in weiterhin als Person respektieren
Wenn Sie als Führungskraft den/die Mitarbeiter:in zum Gespräch bitten, informieren Sie ihn oder sie im Vorfeld über den genauen Gesprächsanlass. Wählen Sie Tonfall und Formulierung so, dass Ihr Gegenüber keine unnötigen Befürchtungen hegt. Meist ist dem Mitarbeiter das Problem selbst bekannt, z. B. nicht eingehaltene Arbeitszeiten, mangelnde Sorgfalt, Nichteinhaltung von Terminen o. Ä. Selten ist ein Kritikgespräch für eine/n Mitarbeiter:in überraschend – und sollte es auch nicht sein! Denn dann wird wahrscheinlich eine spontane Reaktion erfolgen, auf deren Basis sich im Gespräch kaum Lösungen entwickeln lassen.
Aufgabe der Führungskraft beim Führen des Kritikgespräches:
Versuchen Sie im Kritikgespräch, die emotionale Belastung des Mitarbeiters bzw. der Mitarbeiterin
so gering wie möglich zu halten.
Kritikgespräch führen – Vorbereitung
Kritik bezieht sich immer auf ein konkretes Verhalten. Daher ist es wichtig, im Vorfeld folgende Fakten zu klären[1]:
- Um welches Verhalten, welchen Vorfall geht es? Wie kann der Sachverhalt genau beschrieben werden?
- Welches Ziel verfolgen Sie mit dem Gespräch: Einsicht, Sensibilisierung oder Verhaltensänderung? Informieren des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin über mögliche Konsequenzen?
- Welche Ursachen könnte das kritisierte Verhalten haben?
- Welche Bedeutung hat das kritisierte Verhalten im Kontext der Gesamtleistung des Mitarbeiters bzw. der Mitarbeiterin?
- Beeinflussen andere Vorfälle die Sicht auf den Kritikpunkt (mildernd oder verschärfend)?
- Gibt es einen Eigenanteil von Ihnen als Führungskraft an der problematischen Situation? (z. B. wenn Sie eine Rückdelegation zulassen, aber gleichzeitig mangelnde Selbstständigkeit kritisieren.)
Als Führungskraft sollten Sie auch für sich klären, ob Kritik hier ein persönliches Verarbeitungs- oder Entlastungsmittel ist. Geht es darum, Ärger und Frustration herauszulassen? Hier hilft es, obige Fragen zu klären, um auch Ihrerseits überzogene, spontane Handlungen zu vermeiden.
Konstruktive Kritik geben
- unter vier Augen
- sachlich
- Tatsachen klar benennen und verständlich formulieren; keine Spekulationen
- schonend formulieren: Das bedeutet, dass nicht zu viel Kritik auf einmal geäußert wird.
- konstruktiv äußern: Kritik bezieht sich auf ein Verhalten, das geändert werden kann. Sie als Führungskraft (nach dem MA) können Verbesserungsvorschläge machen oder einen Spezialisten benennen, an den der Mitarbeiter bzw. die Mitarbeiterin sich wenden kann.
- positiv abschließen
Nicht die Kritikmethode, sondern die Fähigkeit, zur kritisierten Person eine positive Beziehung aufrechtzuerhalten, ist wichtig.
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Ablauf eines professionellen Kritikgesprächs
Wenn Sie ein Kritikgespräch führen, beachten Sie folgende sechs Phasen.
Diese sieben Kritikfehler sollten Sie als Führungskraft unbedingt vermeiden:
1. Autoritäre, persönliche oder verallgemeinernde Kritik:
Sie unterstreicht die asymmetrische Gesprächssituation und bringt den oder die MA in eine defensive (Verteidigungs-)Haltung.
2. Kritik in Gegenwart Dritter:
… ist despektierlich. Die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter kann in einer solchen Situation keine konstruktive Lösung erarbeiten oder anbieten.
3. Schriftliche oder telefonische Kritik
Da Kritik zuerst einmal eine Distanz zwischen den Gesprächspartner:innen schafft, wird diese Distanz durch schriftliche oder telefonische Kritik noch verschärft.
4. Kritik an abwesender Person
Diejenige, die die Kritik betrifft, kann sich im 4-Augen-Gespräch nicht dazu äußern und Lösungen vorschlagen.
5. Kritik durch Dritte
Wird die Kritik durch Dritte weitergetragen, ist der eigentliche Adressat nicht angesprochen worden. So kann ein Konflikt entstehen.
6. Gesammelte Kritik
Kritik sollte möglichst zeitnah zu dem kritisierenden Verhalten oder Vorfall geäußert werden. Das ist nicht der Fall, wenn über einen längeren Zeitraum Kritikpunkte gesammelt werden.
7. Kritik bei unwesentlichen Dingen
Die wesentlichen, für die weitere Zusammenarbeit wichtigen Punkte rücken in den Hintergrund. Kritik wird auf Dauer nicht mehr ernst genommen.
Quelle:
Vgl. Kießling-Sonntag, J. (2010): Mitarbeitergespräche. Berlin: Cornelsen. S. 60 ff.